Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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De geele Köm und Biikebrennen

Niclas Richardsen (links im Bild) und Szymon Kupka (Hannover) machten beim Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit (HDPZ) in Gleiwitz ein Praktikum. Foto: Johannes Rasim
Niclas Richardsen (links im Bild) und Szymon Kupka (Hannover) machten beim Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit (HDPZ) in Gleiwitz ein Praktikum.
Foto: Johannes Rasim

Der Skandinavistikstudent und HDPZ-Praktikant Niclas Richardsen aus Niebüll sprach über seine Erfahrungen in Grenzregionen mit Johannes Rasim.

 

Warum haben Sie sich für dieses Praktikum entschieden?

 

Ich studiere an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel Skandinavistik und habe im Nebenfach Polonistik. Ich habe mehrere Stellen angeschrieben und habe mich unter den zahlreichen Angeboten für ein Praktikum für dieses in Gleiwitz (Gliwice) entschieden. Diese Region ist für mich besonders interessant, weil sie sich ebenfalls in einem Grenzgebiet befindet. Ich sehe hier einige Ähnlichkeiten zum deutsch-dänischen Grenzgebiet. Ich stamme aus Niebüll im Kreis Nordfriesland, im deutschen Schleswig, etwa 20 Kilometer von der dänischen Grenze entfernt.

 

Wann haben Sie angefangen Dänisch zu lernen?

 

Ich habe zunächst eine dänische Schule in Niebüll besucht. Der Unterricht findet dort komplett auf Dänisch statt. Die Lehrer und Direktoren sind Dänen. Ähnliche Einrichtungen gibt es auch in anderen Orten im deutschen Schleswig. Entsprechend gibt es auch deutsche Schulen in Süddänemark (Nordschleswig) mit deutschen Lehrern. Nach fünf Jahren besuchte ich dann eine weiterführende deutsche Schule, wo ich Dänisch bis zum Abitur hatte. Ein dänisches Gymnasium, an dem man auch ein Abitur auf Dänisch ablegen kann, gibt es in Schleswig-Holstein übrigens nur in Flensburg.

 

Sie wurden hier mit dem Schlonsakischen konfrontiert. Welche Erfahrungen haben Sie mit Dialekten in Schleswig gemacht?

 

Im Unterschied zu Oberschlesien gibt es bei uns zwei Dialekte – genauer gesagt sind es Sprachen, und zwar das Niederdeutsche, also Plattdeutsch, und das Friesische. Allerdings gibt es viele friesische Dialekte. Bei uns in der Gegend gibt es Bewohner, die Dänisch, Plattdeutsch oder Nordfriesisch sprechen. Nordfriesisch wird in Teilen des Kreises Nordfriesland und auf Helgoland gesprochen. Dabei gibt es heute noch neun verschiedene nordfriesische Dialekte, die untereinander zum Teil kaum verständlich sind. Meines Wissens sprechen von den etwa 164.000 Einwohnern des Kreises Nordfriesland noch knapp 10.000 Friesisch. Das Nordfriesische ist eine aussterbende Sprache. Ich selber spreche kein Friesisch, obwohl mein Vater und Großvater noch Friesisch sprachen. Sie gaben aber die Sprache an die Kinder nicht weiter, weil Friesisch immer als eine Sprache der ungebildeten, einfachen Leute angesehen wurde. Über die Menschen, die Friesisch sprachen, mache man sich oft lustig.

 

Gibt es Versuche das Friesische zu retten?

 

Das Bewusstsein dem Friesischen und dem Plattdeutschem gegenüber hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. So gab es im Norddeutschen Rundfunk eine Sendereihe „Slum poetry“ in Friesisch, also ein Dichterwettstreit in verschiedenen Kategorien, der hauptsächlich an Studenten gerichtet war. Heute gibt es regelmäßig am Mittwochabend „Friesisch für alle“ in der Sendung „Von Binnenland und Waterkant“. Es gibt im deutschen Schleswig zahlreiche zweisprachige Ortschilder auf Deutsch und Friesisch, aber auch Schilder auf Bahnhöfen oder manchmal an Behördengebäuden. Eine Art Vorreiterrolle spielt die Gemeinde Risum-Lindholm im Kreis Nordfriesland, wo es sogar eine Grundschule gibt, in der in Friesisch unterrichtet wird, und alle Straßennamen der Neubaugebiete auf Friesisch sind. Das dortige Restaurant „Fraschlönj” und der dort ausgeschenkte Aquavit „De geele Köm“ besitzen heute unter den Jugendlichen einen Kultstatus.

 

In Stanitz (Stanica) bei Gleiwitz gibt es alljährlich am Gründonnerstag die berühmten „Fakle“, eine Art Osterfeuer. Gibt es bei Ihnen ähnliche Bräuche?

 

Es gibt ein traditionelles Volksfest, das am 21. Februar gefeiert wird, das sogenannte „Biikebrennen“, zu Deutsch „Feuerzeichen“, das hier teilweise das sonst weit verbreitete Osterfeuer ersetzt. Der Ursprung des Festes ist unklar – vermutlich sollte das Feuer früher böse Geister vertreiben und die neue Saat schützen. Das Biikefeuer besteht zumeist aus alten Weihnachtsbäumen und Gestecken, die bis zum Biikebrennen aufgehoben wurden. Dabei wird gesungen und es gibt Auftritte von Kindergruppen. Außerdem wird eine Strohpuppe verbrannt, die den Winter symbolisiert, der nun ausgetrieben wird. Nach der „Biike“ gibt es traditionell ein Grünkohlessen. Es gibt noch eine zweite Erklärung für das Entstehen dieses Brauchs:  Die im Feuer verbrannte Strohpuppe wird „Petermännchen“ genannt und hat mit dem Papst, also dem Petrus-Amt, und dem christlichen Glauben zu tun, der hier anfangs abgelehnt wurde. Am nächsten Tag, dem 22. Februar, feiert die katholische Kirche das Fest „Kathedra Petri“, das an die Berufung des Heiligen Petrus zum Lehramt in der Kirche, also seine Übernahme des römischen Bischofsstuhls erinnert.

 

Wo sehen Sie kulturgeschichtliche Unterschiede in Oberschlesien und in Nordfriesland?

 

Das kulturelle Leben der Dänen im deutschen Schleswig unterscheidet sich doch erheblich von der deutschen Minderheit in Polen. Es ist vor allem die sprachliche Nähe der Deutschen bzw. der Friesen zu den Dänen, die sich beispielsweise in gemeinsamen Vereinen, wie Chören oder Tanzgruppen, manifestiert. Auch in der Vergangenheit wurden die Konflikte zwischen den Volksgruppen ganz anders ausgetragen. Das beste Beispiel ist die Volksabstimmung nach dem Ersten Weltkrieg, denn anders als in Oberschlesien verlief das Referendum von 1920 über die Zugehörigkeit zu Deutschland oder zu Dänemark vollkommen unblutig.

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